In Hollywood-Filmen benutzen Hacker technische Tricks, um Handys, PCs oder ganzen Firmennetzen ihren Willen aufzuzwingen.
Was wäre, wenn auch Lebensmittel uns durch Tricks ihren Willen unbemerkt aufzwingen würden?
Klingt das absurd? Vielleicht. Mir sind im Laufe der Zeit dennoch einige Parallelen aufgefallen:
Die Werkzeuge der Hacker sind oft ganz alltägliche technische Geräte, Programme oder Funktionen. Sie wissen aber, wie man sie zweckentfremden kann, um ein unerwartetes, nicht immer legales Ziel zu erreichen.
Das Paradebeispiel hierfür sind die Blue Boxes, selbst gebastelte Geräte, mit denen die ersten Hacker in den 60er Jahren die Telefonsignale täuschten, um kostenlose Ferngespräche zu führen. Dabei ging die simpelste Methode auf eine Spielzeug-Pfeife zurück.
Kriminelle Hacker nutzen ihr Technologie-Wissen, um unbemerkt in Computer-Systeme einzudringen, Informationen zu stehlen oder sie für andere illegale Zwecke zu missbrauchen.
Es gibt aber auch „gute“ Hacker (sogenannte „White Hats“): Diese nutzen ihr Geschick und ihr Wissen, um auf Sicherheitslücken hinzuweisen und auf die möglichen Gefahren von solchen Lücken aufmerksam zu machen.
Die Tricks der Lebensmittel-Hacker
Was hat das mit Ernährung zu tun?
- Auch in der Ernährung gibt es viele Lebensmittel, Zutaten und Inhaltsstoffe, die bestimmte Wirkungen entfalten können und die man zweckentfremden kann, um offene oder versteckte Ziele zu erreichen.
- Lebensmittel-Hersteller, Köche oder die Industrie setzen diese Zutaten und ihre Mechanismen bewusst oder unbewusst ein.
- Auch hier gibt es schwarze, weiße und graue Schafe, die ihr Ernährungswissen für gute oder weniger gute Zwecke nutzen, es lieber geheim halten oder darüber aufklären wollen.
Welche Tricks gibt es, mit denen Lebensmittel Deinen Körper „hacken“ können?
Einige dieser Tricks sind offensichtlich und wohlbekannt – andere wiederum sind eher subtil oder unerwartet:
Zucker: Das einfachste und am weitesten verbreitete Lebensmittel-Hacking-Werkzeug
Mittlerweile gibt es keinen Zweifel, dass Zucker schädlich ist (siehe auch: Buchtipp: Die bittere Wahrheit über Zucker). Besonders der Fruchtzucker (Fructose), der nicht nur in Früchten enthalten ist, sondern auch 50 % des Haushaltszucker-Moleküls ausmacht, ist für die schädliche Wirkung von Zucker verantwortlich.
Vor allem zwei Eigenschaften machen den Zucker zu einem idealen Werkzeug für Lebensmittel-Hacker: Zucker hat ein Suchtpotenzial, das mit Kokain vergleichbar ist und der Fructose-Anteil darin hemmt das Sättigungszentrum im Hirn. Kein Wunder, dass die Lebensmittel-Industrie Zucker als Zutat fast überall verwendet, um ihre Absätze zu erhöhen.
Und damit das nicht auffällt, gibt es viele verschiedene Arten, Zucker in der Zutatenliste zu verstecken oder harmlos aussehen zu lassen: von „Agavendicksaft“ über „Glucose-Fructose-Sirup“ bis „Saccharose“ – oder auch ganz offen: „Zucker“.
Klingt nach Verschwörungstheorie? Mitnichten: Selbst über die Rolle der Zuckerindustrie bei der Verschleierung ihrer Schädlichkeit gibt es Studien.
Exorphine: Der „ganz natürliche“ Weg zur Lebensmittel-Sucht
Warum lieben manche Brot-Fans ihr Gebäck so fanatisch? Was macht Käse mancherorts zum Kultprodukt? Nicht unbedingt der Geschmack, sondern auch die Inhaltsstoffe von Brot und Käse könnten für die im wahrsten Sinne des Wortes suchtartige Beliebtheit dieser Produkte sorgen: Gluten, der Anti-Nährstoff aus Weizen und anderen Getreidesorten ist nicht nur in vielerlei hinsicht schädlich für den Menschen, sondern kann auch bei der Verdauung sogenannte Exorphine frei setzen.
Exorphine sind Endorphin-ähnliche Substanzen, die, ähnlich den Endorphinen „glücklich“ machen können, aber eben nicht vom Körper produziert wurden, daher das „Ex“. Exorphine werden nicht nur bei der Verdauung von Gluten frei gesetzt, sie entstehen auch bei der Verdauung des Milcheiweißes Casein. Dann heißen Sie „Casomorphine“.
Exorphine können wie Opioide wirken und Einfluss auf Nervensystem, Geist und Gemüt ausüben – im günstigsten Fall können sie entspannend wirken oder Zufriedenheits-Gefühle fördern, wie beim gestillten Baby das die Muttermilch verdaut. Wenn’s schiefläuft, können sie aber auch eine Rolle in psychischen Krankheiten oder bei Autismus spielen [1][2].
Mehr Informationen über Exorphine findet Ihr auch in Robert Bocks Eintrag auf Pinkpoison on Paleo: Machen Getreide und Milch süchtig?
Für Food-Hacker sind das tolle Nachrichten: Gebäck verkauft sich dank Gluten-Exorphinen von alleine und auch die billigste Pizza kann man mit ordentlich Käse darauf gut verkaufen. Dabei muss es nicht der teure Bio-Käse aus den Alpen sein, die Casomorphine wirken bei jeder Käsesorte!
Optimierte Sinnestäuschungen: Denn nicht nur das Auge isst mit
Nicht nur mit biochemischen Tricks lassen sich Lebensmittel gut „hacken“: Das Auge isst schließlich auch mit. Mit etwas rotem Farbstoff wird aus Fischresten „edles“ Surimi für das Sushi-Lokal. Eine „Schutzatmosphäre“ kann verpackte Lebensmittel vor Verderb schützen oder lediglich eine frische Farbe vortäuschen, selbst wenn das Fleisch schon schlecht ist.
Besonders die Snack-Industrie ist dafür bekannt, dass sie systematisch alle Parameter ihrer Produkte optimiert: knackigkeit, Mundgefühl, Kaugeräusch, Farbe, Temperatur und Verpackung sind genau erforschte und penibel kontrollierte Faktoren, die das Snack-Produkt auf maximale Begierde trimmen. Dabei ist die Qualität der Inhaltsstoffe eher zweitrangig.
Auch wenn wir meinen, dass wir die Werbebotschaften und die Tricks der Lebensmittel-Vermarkter durchschauen können, sind wir nie ganz immun. Unser Unterbewusstsein als Zielscheibe von Food-Hacking in allen seinen Facetten kann leicht beeinflusst werden und hat einen entscheidenden Anteil an unseren täglichen Kauf- und Ess-Entscheidungen.
So schützt Du Dich gegen Lebensmittel-Hacking
Der erste Schritt ist, Dich selbst zu beobachten und Fragen zu stellen:
- Was isst Du genau? Warum?
- Was ist drin?
- Kennst Du alle Zutaten auf der Verpackung? Was bewirken sie?
Mit etwas mehr Achtsamkeit kannst Du den Spieß umdrehen und selber entscheiden, was in Deinen Körper kommt und welche Wirkungen Deines Essens Du haben möchtest.
Das bedeutet auch: keine Panik oder übertriebene Vorsicht.
Die Parmesan-Stückchen auf dem Salat werden Dich schon nicht süchtig machen. Das Wichtigste ist, zu verstehen, was vor sich geht. Dann kannst Du beurteilen, ob der Effekt bestimmter Zutaten für Dich gut und sinnvoll ist. Ein leckerer Salat mit Parmesan kann etwas Tolles sein. Ein Klecks Honig im Salatdressing belohnt Dich dafür, dass Du den Salat mit Putenstreifen der Pasta mit Käsesoße vorgezogen hast. Erst wenn Käse oder Zucker ein ansonsten schlechtes Produkt „besser“ machen sollen, ist wahrscheinlich Manipulation am Werk.
Wo Gefahren sind, sind auch Chancen: Wenn Du die Wirkung von Zucker, Exorphinen, Farb- und Aromastoffen kennst, kannst Du selber entscheiden, wie Du sie für Dich nutzt. Das fängt mit der Qualität an: guter, sortenreiner Honig oder Ahornsirup statt Industriezucker oder synthetische Snacks. Kleine, feine und edle Gelegenheiten, um eine sinnvolle Ausnahme zu machen, statt blinder Gewohnheit.
Quellen
- [1]
- Pruimboom L, de Punder K: The opioid effects of gluten exorphins: asymptomatic celiac disease., 2015
- [2]
- Jarmołowska B, Bukało M, Fiedorowicz E, Cieślińska A, Kordulewska NK, Moszyńska M, Świątecki A, Kostyra E: Role of Milk-Derived Opioid Peptides and Proline Dipeptidyl Peptidase-4 in Autism Spectrum Disorders., 2019
Photo von Unsplash-User Angelos Michalopoulos, genutzt unter der freien Unsplash-Lizenz.
Von Constantin Gonzalez am 21.07.2019 in Allgemein.
Hat Dir dieser Artikel gefallen? Dann:
Passende Artikel zum Weiterlesen:
- Pinkpoison on Paleo: Machen Getreide und Milch süchtig?
- Bist Du zuckersüchtig?
- Eine Gluten-Intoleranz ist etwas ganz normales
Mehr spannende Paleo-Artikel findest Du täglich neu auch auf Paleo-Planet, dem deutschen Paleo-Blog-Aggregator.