Auf der einen Seite sind sie für viele Menschen – vor allem Vegetarier – ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Auf der anderen Seite werden sie in der Paleo-Ernährung konsequent gemieden. Aus gutem Grund, wie wir gleich sehen werden, aber der Reihe nach:
Fangen wir mit den Vorteilen an:
So weit so gut, aber wo ist der Haken?
Mein Bekannter aus dem Anfang dieses Artikels befindet sich in guter Gesellschaft: 1988 gab es in einem Krankenhaus einen „Tag des gesunden Essens“ (wie man an anderen Tagen in einem Krankenhaus ungesundes Essen servieren kann erscheint mir etwas schleierhaft). Dort gab es unter anderem rote Kidneybohnen, von denen 31 Portionen serviert wurden. Am Nachmittag begann das Unheil: Insgesamt 11 der Speisegäste mussten sich heftig übergeben, teilweise litten sie auch unter Durchfall. Zum Glück waren am nächsten Tag die Symptome verschwunden.
Man vermutete Keime als Ursache für den Vorfall, doch es konnte keine Krankheitserreger im Essen nachgewiesen werden. Stattdessen fiel auf, dass in den roten Kidneybohnen eine hohe Konzentration des Lektins „Phytohämagglutinin“ vorhanden war. [2]
Lektine sind sog. Glykoproteine, die sich an spezifische Kohlenhydratstrukturen binden können. Daher können sie auch biochemische Reaktionen mit bestimmten Zellen und ihren Zellmembranen bewirken.
Lektine gibt es überall, bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen, daher kann man nicht behaupten, sie wären „gut“ oder „schlecht“. Aber sie können sehr wirksam sein, und bestimmte Lektine können für viele Menschen schädlich sein. Wie beim Phytohämagglutinin und anderen Hülsenfrucht-Lektinen.
Bei Ratten (die gemeinhin sehr robust sind, was Nahrungsmittel angeht) zeigen Bohnen in wissenschaftlichen Versuchen ihre negative Seite: Dort erhöhten roten Bohnen die Durchlässigkeit des Dünndarmes und man konnte zeigen, dass das Phytohämagglutinin darin die Bildung von Magensäure um bis zu 72 % behinderte, was die Proteinverdauung stark beeinträchtigte. Das ist nur der Anfang: Phytohämagglutinin führt zu einer erhöhten Bildung von unreifen Darmzellen, die sich schlechter gegen Eindringlinge wehren können und dadurch leichter von Bakterien wie E. Coli infiziert werden können. Dass schädliche Effekte nicht auf Ratten beschränkt sein müssen, zeigt eine Studie, bei der menschliche Probanden freiwillig Phytohämagglutinin zu sich nahmen und bei denen die Gallenblase auf etwa 65 % ihrer normalen Größe schrumpfte. [3][4][5][6][7]
Viele Lektine können durch Kochen und Auswaschen neutralisiert werden. Tatsächlich geht es nicht anders: Im rohen Zustand sind Bohnen und andere Hülsenfrüchte regelrecht giftig. Ohne Einweichen, kochen und sorgfältige Verarbeitung geht bei Hülsenfrüchten nichts. Der Mensch hat zwar einige Barrieren aufgebaut, die ihn vor der Wirkung von Lektinen schützen können. Doch wie die Beispiele oben zeigen, reicht das manchmal, z. B. im Alter oder in Phasen von Krankheit selbst bei verarbeiteten Bohnen nicht aus.
Hülsenfrüchte enthalten weitere Stoffe, die biochemisch gesehen problematisch sein können:
Unter den Hülsenfrüchten gibt es noch ein paar Sonderfälle, die potenziell aus weiteren Gründen problematisch sind:
Soja-Bohnen genießen weltweit viel Aufmerksamkeit, da sie einen besonders hohen Anteil an Proteinen haben und weil die Zusammensetzung ihrer Proteine vergleichsweise hochwertig ist. Auf der anderen Seite bringen sie auch noch eine weitere Klasse problematischer Substanzen mit sich die einen eigenen Artikel verdienen: Sie enthalten Phytoöstrogene. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich hierbei um Stoffe, die dem weiblichen Geschlechtshormon ähneln. Wissenschaftler streiten sich darüber, ob das gut oder schlecht ist (und die starke Soja-Industrie versucht natürlich dabei, ihre Produkte in ein gutes Licht zu rücken).
Die Wirkung von Soja-Produkte auf das Hormonsystem ist durchaus signifikant und sollte nicht unter den Tisch gekehrt werden: Von Veränderungen im Menstruations-Zyklus über Schilddrüsen-Störungen, Einfluss auf die Entstehung von Brustkrebs, Beschleunigung der Pubertät, Störungen im Testosteron-Haushalt bis hin zu Wachstumsstörungen bei Babys, die mit Ersatzmilch auf Sojabasis gefüttert wurden, reichen die dokumentierten Auswirkungen von Soja-Produkten auf den Menschen. Für mich steht fest, dass ich in meiner Nahrung keine Stoffe haben möchte, die von meinem Körper mit Östrogenen verwechselt werden. Schon gar nicht als Mann. [13][14][15][16][17][18][19][20]
Ähnlich wie bei Getreide ist die Liste der Vorteile von Hülsenfrüchten eher unspannend: Proteine aus tierischen Lebensmittel sind hochwertiger, Mikronährstoffe und Ballaststoffe gibt es bei Obst und Gemüse in höheren Mengen und besserer Verfügbarkeit.
Dagegen ist die Liste der Nachteile recht lang und teilweise ziemlich unangenehm. Klingt nicht nach einem guten Deal.
Man kann die Nachteile von Hülsenfrüchten teilweise eindämmen, indem man sie oft und lange in Wasser einlegt, das Wasser wegschüttet und die Hülsenfrüchte danach lange kocht, und daraufhin wieder das Wasser abgießt, aber was hat man dann noch davon? Viel Kohlenhydrate für (im Vergleich zu tierischen Produkten) wenig Protein.
Ein paar Spritzer Sojasauce für’s Sashimi, ein paar Würfelchen Tofu in der Miso-Suppe oder ein Pappadam beim Inder sind sicher kein Grund zur Panik. Hier kann man die Kirche im Dorf lassen, zumal die Mengen an Hülsenfrüchten hier eher gering und diese dabei stark verarbeitet sind.
Auch grüne Bohnen sind eher als Gemüse zu werten, weil die Hülsen mehr wiegen, als die eigentlichen Bohnen. Solange man hier nicht übertreibt, halte ich das ebenfalls für OK.
Ansonsten sehe ich keinen guten Grund dafür, Hülsenfrüchte in den Speiseplan aufzunehmen, sondern viele Gründe dagegen. Gerade beim Thema Soja halte ich es für unverantwortlich, ein Produkt als besonders „gesund“ zu bewerben, wenn schon verhältnismäßig kleine Mengen in ihrer Wirkung auf den Hormonhaushalt mit Medikamenten konkurrieren können.
Wie steht Ihr zu Hülsenfrüchten? Welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht?
Bilder:
Von Constantin Gonzalez am 03.08.2017 in Allgemein.
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Mein Name ist Constantin, Informatiker und seit 2008 beschäftige ich mich intensiv mit Ernährung, Gesundheit und aktueller Forschung dazu.
Mit der Paleo-Ernährung (oder: „Paleo-Diät“) bin ich heute 18 kg leichter und fitter als je zuvor. Jetzt wandle ich mich vom Couch-Potato zum Athleten. Das hätte ich als klassischer „Geek“ nie gedacht!
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