Obwohl überall in Deutschland genug Impfmöglichkeiten für alle über 12 Jahre zur Verfügung steht, sind momentan gerade mal die Hälfte der Bevölkerung vollständig geimpft. Doch wer auf eine Impfung verzichtet, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere.
Woher kommt diese Impfmüdigkeit?
Der Grund ist menschlich: Wir Menschen sind schlecht darin, Gefahren realistisch einzuschätzen. Stattdessen lassen wir uns häufig von unserer Wahrnehmung beeinflussen. Und die ist stark durch die Medien geprägt, für die es interessanter ist, über Nebenwirkungen zu berichten, als über Erfolge.
Dabei gibt es viele Beispiele aus dem täglichen Leben, die harmlos erscheinen, tatsächlich aber gefährlicher sind, als sich impfen zu lassen.
Vorweg: Die folgenden statistischen Berechnungen sind sehr vereinfacht. Und: Korrelation ist kein Kausalzusammenhang.
Die Wirklichkeit ist komplexer, als Zahlen miteinander zu vergleichen. Dennoch kann man sich mit ein paar einfachen Rechnungen ein Bild machen und Risiken grob miteinander vergleichen. So kann man sich objektiver über mögliche Risiken informieren, statt sich von Schlagzeilen oder gar Verschwörungstheorien leiten zu lassen.
Soll ich mich nun impfen lassen oder nicht?
Diese Frage bewegt viele. Trotz offizieller Impfkampagne des Bundesgesundheitsministeriums gibt es immer noch Leute, die sich nicht impfen lassen möchten oder zumindest verunsichert sind. Dabei sind soziale und traditionelle Medien keine Hilfe: Zu häufig berichten sie über spektakuläre Nebenwirkungen verschiedener Impfstoffe, vernachlässigen dabei aber die Realität.
„Schon wieder eine Million Bundesbürger problemlos geimpft!“, ist keine Schlagzeile, die sich gut verkauft.
Impfrisiko: Die Fakten
Das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Coronavirus und COVID-19-Seite sammelt Fakten. Dort steht im aktuellen Bericht über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 alles, was über COVID-19-Impfungen bekannt ist: Welche Impfstoffe wie oft verabreicht wurden, welche Nebenwirkungen wie häufig gemeldet wurden und wie viele Todesfälle im Zusammenhang mit Impfungen aufgetreten sind.
Demnach sind bis zum 30.06.2021 insgesamt 74.871.502 Impfdosen verabreicht worden, davon 43.885.374 Erstimpfungen und 30.986.128 Zweitimpfungen.
Statistisch betrachtet wurden nur bei einer von 10.000 Impfdosen schwerwiegende Nebenwirkungen gemeldet. Doch es gab auch Todesfälle. Allerdings war es in den meisten Fällen unklar, ob die Todesfälle durch die Impfung ausgelöst wurden oder durch eine Vorerkrankung bedingt waren. Nehmen wir pessimistisch alle Todesfälle, die im Zusammenhang mit einer Impfung bekannt geworden sind an, ergibt sich eine Sterberate von 698 Todesfällen, die im Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung stehen.
Todesfälle sind sehr extreme und sehr seltene Nebenwirkungen. Wir untersuchen sie hier als „worst case“-Betrachtungen, denn es geht hier um den Vergleich zu anderen Risiken und um eine realistischere Einschätzung darüber, ob wir uns darüber Sorgen machen sollten oder eher nicht.
Zusammengefasst sagt und die Statistik, dass es etwa 9 Tote pro 1 Million COVID-19-Impfdosen gab, oder (grob aufgerundet) etwa 1 Todesfall pro 100.000 Impfungen. Das entspricht einer 0,001 %-igen Wahrscheinlichkeit, an einer COVID-19-Impfdosis zu sterben.
Um sicherzugehen, dass ich mich nicht verrechnet habe, hab ich nach einer Studie gesucht, die das Todesrisiko von COVID-19-Impfungen untersucht hat und diese gefunden: Mortality Rate and Characteristics of Deaths Following COVID-19 Vaccination. Dort fand man 8,2 Todesfälle pro Million Impfdosen, das liegt also in etwa im gleichen Bereich wie die Paul-Ehrlich-Institut-Statistik.
Ist das viel? Oder wenig? Müssen wir uns Sorgen machen oder können wir uns beruhigt impfen lassen?
Zunächst einmal sind die Risiken sehr ungleich verteilt: Wer jung und gesund ist, muss sich weniger Sorgen über fatale Nebenwirkungen machen als, wenn man alt ist oder an Vorerkrankungen leidet. Doch das gilt auch für die Virus-Erkrankung selbst, gegen die man sich schützen will. Daher ändern (vereinfacht) solche Faktoren kaum was am Vergleich.
Welche anderen Risiken im täglichen Leben sind mit dem Impfrisiko vergleichbar und um wie gefährlich sind sie?
1. Übergewicht
Eine internationale Zusammenarbeit von Wissenschaftlern hat 2016 untersucht, inwiefern Übergewicht mit dem Risiko, zu sterben zusammenhängt: Body-mass index and all-cause mortality: individual-participant-data meta-analysis of 239 prospective studies in four continents. Dazu werteten sie 239 Studien mit insgesamt über 10 Millionen beteiligten Menschen aus, die sie in verschiedene Body-Mass-Index-Klassen einteilten.
Dabei stellten sie fest, dass Menschen mit einem „normalen“ BMI von 20 bis 25 (kg/m2) die geringste Todeswahrscheinlichkeit hatten und Menschen in der nächsthöheren Kategorie mit einem BMI von 25 bis 27,5 schon eine 7 % höhere Wahrscheinlichkeit hatten, im betrachteten Zeitraum von durchschnittlich 13,7 Jahren zu sterben. Grob aufs Jahr gerechnet ergibt das eine etwa 0,5 % höhere Wahrscheinlichkeit pro Jahr, zu sterben, wenn man leichtes Übergewicht hat. Je höher das Übergewicht, desto mehr häuften sich die Todesfälle in den Studien.
Das heißt: Allein schon wer leichtes Übergewicht hat (ab ca. 91 kg bei einer Körpergröße von 1,90 m), hat ein 500-mal größeres Risiko pro Jahr, zu sterben, als an einer COVID-19-Impfung.
Fazit: Wenn Du nur ein Kilo abnimmst, „sparst“ Du statistisch gesehen mehr als genug Risiko ein, um Dich getrost hunderte mal impfen lassen zu können. Ein einfacher Weg, abzunehmen und gesünder zu leben ist, Zucker systematisch zu vermeiden, ohne dafür Lebensqualität einbüßen zu müssen.
(Natürlich kann man sein Risiko nicht wie bei einem Konto ansparen oder gegeneinander aufrechnen. Aber diese Betrachtung hilft, die Risiken miteinander zu vergleichen und sich darunter konkret etwas vorzustellen.)
2. Rauchen
Neben Übergewicht gehört das Rauchen zu den großen Gesundheits-Risiken. Wohl dem, der Nichtraucher ist!
Dennoch rauchen laut einer WHO-Studie zur globalen Tabak-Epidemie 18 % der Deutschen täglich.
Wie wirkt sich Rauchen auf die Lebenserwartung aus? Wie kann man das Risiko einer Zigarette messen?
Dafür haben Statistiker eine eigene Einheit erfunden, das Mikromort: Ein Mikromort entspricht dabei einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million, an einem Ereignis zu sterben.
Wir haben oben gesehen, dass es bisher 9 Tote auf 1 Million COVID-19-Impfungen gab. Das entspricht also einem Risiko von 9 Mikromort pro Impfdosis. Nach Angaben des Stuttgarter Mathematikprofessors Christian Hesse entsprechen 3 Zigaretten einem Mikromort, doch für die Hannoversche Lebensversicherung reichen schon 1,4 Zigaretten, um das Sterberisiko um 1 Mikromort zu erhöhen. Und die leben ja schließlich davon, dass sie solche Risiken genau ausrechnen.
Fazit: Grob gerechnet entspricht das Risiko, an einer COVID-19-Impfung zu sterben etwa dem einer Schachtel Zigaretten.
Das heißt für alle Raucher: Spart Euch 2 Schachteln Zigaretten über ein paar Wochen ein und lasst Euch stattdessen vollständig impfen.
Noch besser: Holt Euch Hilfe, um mit dem Rauchen aufzuhören, dann spart Ihr Euch täglich mehrere Mikromorts und lebt damit länger!
3. Alkohol
Alkohol macht nicht nur lustig, sondern liefert auch lustige Statistiken: Alcohol-related morbidity and mortality.
Laut dieser Studie verringerte der regelmäßige Konsum von bis zu 20 Gramm Alkohol pro Tag (etwa 1 Glas Wein, 1 Bier oder 2 Schnäpse) das Sterberisiko unter den Probanden um etwa 20 %. Ein bisschen Alkohol pro Tag ist also mit einer niedrigeren Sterbequote verbunden!
Es gibt ein paar Theorien, warum das so ist. Hauptsächlich nimmt man an, dass eine geringe Menge Alkohol helfen kann, die Blutgefäße von Ablagerungen zu befreien.
Die Statistik-Kurve kehrt sich jedoch bei höherem Alkoholkonsum pro Tag in eine ungünstige Richtung: ab dem 3. Glas Wein oder Bier ist das Sterberisiko höher als bei Nicht-Alkoholikern.
Wer also impfen geht, darf das gerne mit 1 oder 2 Glas Wein feiern! (Aber nicht übertreiben …)
4. Aspirin
Wer zu viel Alkohol getrunken hat, bekommt einen Kater. Und den kann man traditionell mit Aspirin bekämpfen.
Ein tägliches Aspirin (bzw. Acetylsalicylsäure, der eigentliche Wirkstoff) war früher eine geläufige Empfehlung für ältere Menschen als Vorsorge gegen Herz-/Kreislauferkrankungen.
Neuere Studien sprechen dagegen, wie z. B.: Prevalence of Aspirin Use for Primary Prevention of Cardiovascular Disease in the United States: Results From the 2017 National Health Interview Survey. Aspirin kann Nebenwirkungen haben und vor allem Blutungen im Magen-Darm-Trakt fördern. In der Summe ist es also riskanter, Aspirin täglich einzunehmen, als nicht. Auch dann nicht, wenn es gegen Herz-/Kreislauferkrankungen helfen soll.
Und so hat der australische Medizin-Professor Nathan Grills vorgerechnet, dass in Australien mehr Menschen an den Folgen der täglichen Aspirin-Einnahme sterben, als an den Folgen einer Astra-Zeneca-Impfung.
Fazit: Tägliches Aspirin gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist out. COVID-19-Impfungen sind dagegen in. Denn sie sind 10-mal weniger gefährlich.
5. Partys
Alkohol? Zigaretten? Kater? Das klingt nach einer Party!
Doch Vorsicht, laut Untersuchungen einer Universität in Liverpool liegt das Risiko, im Zusammenhang mit einer Dance-Party zu sterben bei eins zu 100.000.
Dance-Partys sind also geringfügig riskanter, als COVID-19-Impfungen. In die gleiche Kategorie fallen übrigens auch Aktivitäten wie Kampfsport, Wintersport, Fußball oder einfach nur bloßes Zuschauen im Stadion.
Allein die Party-Abstinenz, die uns das Virus eingebrockt hat reicht aus, um das Risiko einer Impfung zu kompensieren.
Also: auf zur Impf-Party!
6. Verkehr
Jede/r Tote ist ein/e Tote/r zu viel, egal welche Ursache. Doch nichts ist ohne Risiko. Und so neigen wir dazu, die vielen Risiken des täglichen Lebens auszublenden.
Das Risiko, im Straßenverkehr umzukommen, zum Beispiel. Laut Statista sind im Jahr 2020 2719 Menschen im Straßenverkehr tödlich verunglückt. Auf die 83155031 Einwohner in Deutschland umgerechnet entspricht das einer Wahrscheinlichkeit von 0,0033 Prozent pro Jahr. Das ist 33-mal häufiger, als die oben errechnete Todesrate durch eine unglückliche COVID-19-Impfung.
Rein rechnerisch betrachtet, genügt es, sich vom Verkehr fernzuhalten, um das Risiko einer COVID-19-Impfung auszugleichen. Sollten wir also zu Hause bleiben? Nicht unbedingt, denn …
7. Häuslicher Unfall
Auch das eigene Zuhause birgt Risiken: Ebenfalls laut Statista gab es 2019 ganze 12.436 Todesfälle aufgrund von häuslichen Unfällen zu beklagen. Das ist mehr als viermal häufiger, als im Straßenverkehr.
Am gefährlichsten ist jedoch …
… das Nichtstun.
Das ist das tückischste Risiko, denn es ist so leicht zu übersehen: Wenn man sich gegen das Impfen entscheidet und dabei glaubt, ein Risiko vermieden zu haben, übersieht man das Risiko, sich anzustecken und dann an den Folgen von COVID-19 zu sterben, oder Langzeitschäden davon zu tragen.
Laut aktueller COVID-19-Zahlen des Robert-Koch-Instituts, Stand 30.07.2021, gab es bisher insgesamt 91637 Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19. Gegenüber den 698 Todesfällen, die das Paul-Ehrlich-Institut im Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen in seiner Statistik gesammelt hat, ist das Impfen viel harmloser, als das Nichtstun.
Daraus folgt: Nicht-Impfen ist 130-mal gefährlicher als Impfen.
Fazit
Liebe Impfgegner, Impf-Skeptiker oder Unsichere: Bitte nehmt diese drei Fakten aus diesem Artikel mit:
- Wer auf das Impfen verzichtet, lebt etwa 130-mal gefährlicher, als wer sich impfen lässt.
- Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung sind bereits ohne größere Probleme vollständig geimpft worden. Wann lässt Du Dich impfen?
- Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet nicht nur sich, sondern auch andere.
Ich habe mich impfen lassen. Beim ersten Mal hatte ich einen leichten „Muskelkater“ im linken Arm. Beim zweiten Mal kamen am nächsten Tag leichte Kopfschmerzen dazu, als ob man die Nacht schlecht geschlafen hätte. Das war’s.
Ja, es gibt vereinzelt Nebenwirkungen. Jede/r von uns hat im Bekanntenkreis davon gehört. Doch eine Erkrankung mit dem COVID-19-Virus ist viel schlimmer und kommt viel häufiger vor.
Antworten auf viele Fragen im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung findet Ihr in der COVID-19 Impf-FAQ des Paul-Ehrlich-Instituts, dort sind auch detaillierte Infos und Studien zu den einzelnen Impfstoffen verfügbar.
Mir ist klar, dass die Beispiele in diesem Artikel einfache Milchbuben-Rechnungen sind. Und wenn Du Korrekturen hast oder bessere Beispiele kennst, dann sag mir bitte Bescheid! Aber ich hoffe, sie konnten Dir helfen, zu sehen, dass eine COVID-Impfung nicht gefährlicher ist, als viele Dinge, die Du jeden Tag ohne groß nachzudenken machst.
Was ist mit Dir? Hast Du Dich schon impfen lassen? Oder noch nicht? Warum? Warum nicht? Schreib Deine Gedanken in die Kommentare!
Kennst Du jemanden, die/der noch unsicher ist oder sich nicht impfen möchte? Leite ihr/ihm bitte diesen Artikel weiter. Vielleicht kannst Du damit jemandem vor den Folgen einer COVID-19-Erkrankung bewahren oder sogar Leben retten!
Photo von Unsplash-User Sam Moqadam, genutzt unter der freien Unsplash-Lizenz.
Von Constantin Gonzalez am 01.08.2021 in Allgemein.
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