Früher, als ich noch konventionell aß, hatte ich eine geliebte Torte, die ich mir bei besonderen Anlässen gönnte: Stachelbeer-Baiser-Torte.
Die Kombination aus einem zarten Biskuit-Boden, den sauer-süßen Stachelbeeren und dem cremigen, schaumigen Baiser obendrauf, das war der Himmel!
Die Umstellung auf die Paleo-Ernährung muss jedoch keinen Verzicht bedeuten. Im Gegenteil: Mit etwas Gefühl und den richtigen Zutaten kann man alte Lieblinge wieder zu neuem Leben erwecken und dabei seine Gesundheit schützen.
Und dabei auch noch etwas über Mode-Zutaten wie Pfeilwurzelmehl oder Cassava-Mehl lernen …
Als Grundlage für meine Experimente nahm ich Felix’ Rezept für Biskuitboden aus Das Urgeschmack-Dessertbuch: Natürlich gesund genießen*. Sein Biskuiteig auf Seite 86 ist einfach perfekt: Leicht zu backen, locker und luftig wie „echter“ Biskuitteig und er schmeckt himmlisch – ohne Weizenmehl natürlich.
Exotische Mehle sind unnötig
Allerdings erlaube ich mir hier eine kleine Modifikation: In Paleo-Kreisen wird gerne ein großer Bogen um konventionelle Mehle gemacht. Stattdessen haben sich allerlei exotische Zutaten eingebürgert: Pfeilwurzelmehl und vor allem Cassava/Maniok/Gari gelten als schicke „Paleo“-Alternativen zu konventionellen Mehlen.
Warum soll man Pfeilwurzeln aus dem tropischen Regenwald einführen? Warum Cassava aus Südamerika oder Afrika?
Der eigentliche Grund ist doch, dass man für ein funktionierendes Gebäck ein chemisches Gerüst braucht, damit der Teig nach dem Backen nicht zusammenfällt. Eier, Mandel- und Nuss-Mehle eignen sich nur bedingt, denn der goldene Standard für feines, stabiles und Konsumenten-freundliches Gebäck ist immer noch die Stärke: Nur sie bildet aufgrund der Verkettung ihrer Makromoleküle ein sauberes Gerüst in das man gerne reinbeißt.
Weizenmehl als Stärke-Lieferant ist natürlich ein No-Go (siehe: Brot ist böse. Oder: Getreide ist ein zweischneidiges Schwert), außerdem verwechseln Paleo-Anhänger gerne auch mal „Paleo“ mit „Low-Carb“ (siehe Leserfrage: Was ist der Unterschied zwischen Paleo und Low-Carb?), also darf natürlich keine Zutat dabei sein, die auch nur annähernd nach Stärke, also Kohlenhydrate, also Carbs! erinnern könnte.
Und so greifen Paleo-Fans gerne zu Pfeilwurzelmehl, Cassava & Co. Klingt exotisch, muss also was besonderes sein.
Überraschung! Pfeilwurzelmehl besteht zu 100% aus Stärke, Cassava-Mehl besteht zu 98% aus Stärke.
Keine Angst, das wird kein Kohlenhydrate-Rant, aber bitte lasst uns einfach ehrlich sein: Wenn wir Stärke im Teig brauchen, damit das Biskuit locker und luftig wird, ohne zusammenzufallen und damit der Paleo-Cookie (ich weiß, ein Oxymoron, aber gönnen wir uns doch mal eine Ausnahme) nicht auseinanderbricht, dann lasst uns doch einfach eine günstige, heimische, regionale und ehrliche Stärke-Quelle nehmen, die nicht aus der Weizenpflanze stammt (bei der die Stärke nun wirklich das geringste aller Übel ist): Das gute alte Kartoffelmehl!
Überraschung #2:
- Kartoffelmehl ist in geringen Mengen für den menschlichen Körper genauso „harmlos“ wie Cassavamehl, Pfeilwurzelmehl und andere „Safe Starches“.
- Kartoffelmehl muss aus keinem fernen Kontinent eingeflogen werden, sondern wächst regional in Feldern um die Ecke.
- Kartoffelmehl muss (anders als Cassava/Maniok/Gari) nicht erst entgiftet werden.
Richtig gelesen: Rohe Maniok-Knollen enthalten cyanogene Glykoside, die Blausäure freisetzen und daher erst entgiftet werden müssen. Wenn (aus welchen Gründen auch immer) bei der Herstellung nicht gut genug aufgepasst wird, drohen regelrechte Vergiftungs-Epidemien. Siehe z.B.: Konzo and continuing cyanide intoxication from cassava in Mozambique..
Nicht sexy, aber eine nützliche Ausnahme-Zutat: Kartoffelmehl
Also: Stärke ist Stärke, ob sie einen exotischen Namen hat, den man erst googlen muss, oder ob es sich schlicht nur um Kartoffelmehl handelt: Die Unterschide sind gering (Vorsicht: Weizenmehl ist nicht nur Stärke, da steckt noch mehr drin und das ist wirklich gesundheitsschädlich – Stoff für einen eigenen Artikel).
Wenn ich also für ein Rezept ein wenig Stärke brauche (und oft sind es nur ein paar Esslöffel), dann nehme ich einfach Kartoffelmehl. Das ist genausowenig „Paleo“ wie Cassava-Mehl, aber es ist regional, harmlos und billig. Und vertuscht nicht unnötig das, worum es eigentlich geht: Stärke.
Und seien wir ehrlich: Sobald wir anfangen, Kuchen, Cookies, Muffins, Pancakes und anderes Gebäck zu backen, bewegen wir uns mitten im Paleo-Ausnahme-Gebiet. Das ist sowieso nur was für den besonderen Anlaß, als Ausnahme am Wochenende ok, aber nichts für jeden Tag.
Aber ich schweife ab. Kommen wir zurück zum Rezept. Wo war ich? Ach ja:
Rezept: Stachelbeer-Baiser-Torte, Gluten-frei, Milch-frei und fast „Paleo“
Felix’ Biskuitteig ist toll, doch ich nehme einfach Kartoffelmehl statt Pfeilwurzelmehl, weil ich es in jedem Supermarkt bekomme und ich einfach nur eine saubere Stärke-Quelle für ein Ausnahme-Gebäck am Rande des Paleo-Universums brauche.
Auf den Biskuit-Teig kann man nun Früchte, Beeren oder Obst legen (in diesem Fall also Stachelbeeren), dann backe man alles im Ofen und zum Schluß kommt eine Baiserhaube drauf. Und das geht im Detail so:
Zutaten (Boden)
- 4 Eier
- 40 g Honig
- 40 g Kokosmehl
- 3 EL Stärke (z.B. Kartoffelmehl, Pfeilwurzelmehl)
- 1 Vanilleschote
- 1/2 TL Backpulver
- 1 EL Kokosöl (oder Butter, für die Form)
- 2 EL Kokosmehl (für die Form)
- 250 g Stachelbeeren (oder Johannisbeeren oder andere Beeren oder Früchte)
Zubereitung (Boden)
- Den Ofen auf 180° C vorheizen.
- Die Eier trennen und das Eiweiß auf höchster Stufe sehr steif in der Küchenmaschine schlagen.
- Währenddessen alle trockenen Zutaten miteinander verrühren. Die Vanilleschote mit dem Messer der Länge nach halbieren, das Vanillemark herausschaben und zu den trockenen Zutaten geben.
- Das Eigelb zum Eiweiß in die Küchenmaschine geben und 1 Minute weiter kräftig schlagen.
- Jetzt die Küchenmaschine auf halbe Kraft herunterregeln und nach und nach die trockenen Zutaten in die Masse rühren.
- Eine Kuchenform mit Kokosöl einfetten, darauf das Kokosmehl gleichmäßig verteilen (seitlich gegen die Form klopfen, bis es verteilt ist) und den Teig einfüllen. Ebenfalls durch Klopfen der Form gleichmäßig verteilen.
- Von den Stachelbeeren den Stielansatz und den kleinen „Dorn“ abschneiden und diese halbieren. Die halbierten Stachelbeeren gleichmäßig auf den Teig verteilen.
- Den Kuchen ca. 25 Minuten im Ofen backen.
Zutaten (Baiserhaube)
- 3 Eiweiß (Das übrig gebliebene Eigelb kann z. B. in Suppen oder Soßen oder am nächsten Tag zum Frühstück zum Rührei mit verarbeitet werden.)
- 3 EL Honig
Zubereitung (Baiserhaube)
- Das Eiweiß in der Küchenmaschine sehr steif schlagen (die Schüssel vorher gut mit Wasser spülen).
- Den Honig zum Eiweiß geben und 1 Minute kräftig weiterschlagen.
- Den Kuchen aus dem Ofen holen und die Baisermasse gleichmäßig darauf verteilen.
- Den Ofen auf Oberhitze einstellen und den Kuchen wieder hineinstellen.
- Den Kuchen ca. 5 Minuten weiterbacken. Dabei die Oberfläche beobachten: Sobald sie anfängt, sich braun zu färben ist der Kuchen fertig.
Vielen Dank an Felix von Urgeschmack.de für die Erlaubnis, seinen Biskuitteig als Grundlage für dieses Rezept veröffentlichen zu dürfen. Das Original findet Ihr in Das Urgeschmack-Dessertbuch: Natürlich gesund genießen*. Felix, ich hoffe, Du verzeihst den kleinen Stärke-Ersatz-Rant :).
Natürlich kann man statt Stachelbeeren auch andere Beeren nehmen, z. B. Johannisbeeren, oder Früchte wie Kiwis, auch Mandarinen machen sich gut (die haben ja jetzt Saison).
Und damit ist für mich ein alter Luxus für besondere Anlässe wieder auferstanden. Auch wenn strenge Paleo-Anhänger (zurecht) die Nase rümpfen, so ist dieses Rezept auf jeden Fall deutlich gesünder als das Original vom Konditor.
Was haltet Ihr denn so von exotischen Stärke-Ersatzmehlen, die keine sind?
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Von Constantin Gonzalez am 05.12.2014, aktualisiert: 19.12.2016 in Rezepte.
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