Paleosophie | Tipps und Hintergründe für den zivilisierten Urmenschen | von Constantin Gonzalez

Gastartikel: Wer Paleo wirklich erfunden hat – und was das mit Frauen zu tun hat

Darja Wagner

Heute gibt es einen Gastartikel von einer ganz besonderen Autorin: Darja Wagner ist promovierte Zellbiologin. Sie lebt in Berlin und hat zwei Söhne, die sie bekam, als sie schon über 35 Jahre alt war.

In Deutschland gibt es viele Pärchen, die gerne ein Kind hätten, aber es will nicht so recht klappen – und je älter man wird, umso schwieriger scheint es zu werden. Darja hat diese Hürde nicht nur mit über 35 gemeistert, sie sieht dabei auch noch unglaublich jung aus!

Um anderen Frauen zu helfen, schwanger zu werden, vor allem wenn sie über 35 sind, hat sie ihr eigenes Blog gegründet: Paleo-Mama.

In Ihrem Gastartikel berichtet Darja darüber, wie es eigentlich zur Paleo-Ernährung kam und welche Rolle dabei die Frauen gespielt haben.

Hier kommt Darja:

Wer Paleo wirlich erfunden hat (und was das mit Frauen zu tun hat)

Mit dem Begriff paleo konnten die allermeisten Menschen bis vor kurzem erstmal gar nichts anfangen. Höchstens dachten einige dabei an irgendwelche Höhlenbewohner mit einer toten Antilope auf der Schulter.

Seit wenigen Jahren verbindet man paleo zunehmend noch mit essen; außerdem noch mit jungen, durchtrainierten Männern, die CrossFit machen und sich an den neuen Diät-Trend aus den USA halten.

Das ist schade, weil das, was viele als „Paleo-Ernährung“ bezeichnen, nichts anderes ist, als die älteste und natürlichste Art und Weise, Nahrung zu sich zu nehmen.

Unser Urururururspeiseplan, sozusagen.

Als ich vor einigen Monaten in meine Lieblingsbuchhandlung Hugendubel in Berlin-Wilmersdorf hereinspazierte, war ich positiv überrascht, dass es ausgerechnet ein Paleo-Kochbuch an die prominenteste Stelle in der Lifestyle-Abteilung gebracht hat. Gerade als ich mich damit abgefunden hatte, dieser Trend würde an uns ganz vorbeigehen, oder für immer nur eine kleine Nische bleiben, kam Paleo doch nach Deutschland.

Vielleicht liege ich dann mit dem Namen meiner Webseite Paleo-Mama doch nicht völlig daneben …

Wenn Sie einigermaßen trendbewusst leben (oder weiter als nur bis zur ersten Seite in Ihren Google-Suchergebnissen zum Thema „Paleo“ recherchiert haben), ist Ihnen bestimmt nicht entgangen, dass der Gedanke von „Essen wie es unsere Urahnen gemacht haben“ von Dr. Loren Cordain kommt, der dazu ein wirklich schönes Buch am Anfang des Jahrtausends veröffentlicht hat: The Paleo Diet (inzwischen neu aufgelegt als: The Paleo Diet Revised: Lose Weight and Get Healthy by Eating the Foods You Were Designed to Eat*).

Mit diesem Buch wurde er zu einer Art Paleo-Häuptling in den USA und gründete damit sogar eine mini-Industrie, die Menschen beibringt, wie sie nach Paleo-Prinzipien ihr Essen und ihren Workout gestalten. Paleo-Diät war in 2014 einer der am meisten gesuchten ernährungsrelevanten Begriffe bei Google. Die neuen Bücher, die zum Thema Paleo bei Amazon erscheinen, habe ich längst aufgehört zu zählen.

Warten Sie. Da stimmt etwas nicht.

In der Tat ist der wahre Grund, warum die Paleo-Diät so schnell an der Popularität gewinnt und von unzähligen Ärzten, Sport- und Ernährungswissenschaftlern akzeptiert wird, dass sie auf einer sehr soliden wissenschaftlichen Basis aufbaut, und nicht auf den Ansichten irgendeiner einzelnen Person.

Ach so.

Das Konzept der Paleo-Diät wurde von Wissenschaftlern an einer der besten Universitäten der Welt entworfen, mehrere Jahrzehnte bevor die Idee an die breite Öffentlichkeit ging.

Schon Anfang der sechziger Jahre sind mehrere Teams der Universität Harvard in die entferntesten Winkel Afrikas gereist, um den Lebensstil (einschließlich der Ernährung) der wenigen übriggebliebenen Stämme von Jäger und Sammlern zu untersuchen.

Diese Forscher lebten unter Menschen, die zuvor nie einen Kontakt zu den zivilisierten Gesellschaften hatten, sondern weiterhin in dem Kontinuum lebten, dem sich der Rest der Welt seit der Agrarrevolution vor etwa 8000 bis 10.000 Jahren entzogen hatte. Die Harvard-Wissenschaftler lernten die Sprachen dieser Menschen; sie lebten, tanzten, redeten mit ihnen und kamen oft nach Jahren wieder um ihre Arbeiten fortzusetzen.

In den Jahren danach schrieben die Forscher über ihr Leben mit „Menschen aus der Steinzeit“ unzählige Dissertationen, Bücher, hielten Konferenzen, gründeten sogar neue Universitätsabteilungen. Die ersten Paleo-Bücher heißen eigentlich „The Paleolithic Prescription: A Program of Diet and Exercise and a Design for Living*“ (von S.B.Eaton, M.Shostak und M.Konner, 1988, basierend auf dem Artikel: Unknown title), oder „Nisa erzählt: Das Leben einer Nomadenfrau in Afrika*“ (von M.Shostak, englisches Original: Nisa: The Life and Words of a !Kung Woman*, 1981) – ein legendäres Buch darüber, wie die Frauen der Steinzeit gelebt, geliebt und Babies zur Welt gebracht haben.

Falls Sie ein Wissenschaftler sind, werden diese Bücher Sie heute noch umhauen, mit ihrer Schlichtheit, Frische und Originalität.

Falls Sie kein Wissenschaftler sind, werden Sie sich nach wenigen Seiten möglicherweise langweilen oder sich sogar ärgern, weil die Texte ziemlich trocken und im Stil einer Doktorarbeit geschrieben wurden (und obendrauf noch nach Antiquariat riechen).

Wissenschaftler sind meist keine guten Botschafter ihrer eigenen Arbeit und scheuen sich vor nichts so sehr, als anderen sagen zu müssen, wie sie ihr Leben gestalten sollten, oder sich mit Meinungen von Menschen ohne Doktortitel auseinandersetzen zu müssen. Also wird man Loren Cordain doch dankbar sein müssen, dass er seine wichtigen Informationen einem breiten Publikum zugänglich gemacht hat.

Die Paleo-Ernährung für Frauen

Eine typische Paleo-Mahlzeit

Da immer noch viel mehr Männer als Frauen über Paleo-Diät schreiben, bloggen, und sogar Kochbücher veröffentlichen, entsteht leicht das Gefühl, der Paleo-Lebensstil wäre eine klare Männersache. Aber was ist mit Frauen? Welche Vorteile bringt die Paleo-Ernährung den Frauen? Wie sollte eine junge Frau ihre Paleo-Diät am besten gestalten, wie eine Frau über 35? Im Unterschied zu einer schwangeren, im Unterschied zu einer stillenden Frau? Wie viele Artikel haben Sie darüber gelesen? Einen, keinen?

Frauen dürfen sich die Erkenntnisse, die wir aus den Jahrmillionen der menschlichen Evolution gewonnen haben, nicht wegnehmen lassen. Hier sind daher schon mal die top-Punkte, warum Frauen mehr Paleo essen sollten:

  1. Paleo-Ernährung bedeutet Eliminierung. Vor allem geht es um Verzicht auf Zucker. Der Zucker mag zwar nicht die „unerkannte Droge“ sein, wie einige ihn nennen, nicht mal der alleinige Auslöser aller Zivilisationskrankheiten. Aber Zucker kann die Entstehung dieser Krankheiten beschleunigen und hat in der Tat ein starkes Suchtpotential.

    Deshalb bedeutet Zuckerreduktion für den Körper viel Gutes: einen besseren Stoffwechsel und damit ein reduziertes Risiko für Adipositas, Karies, Haut- und Haarprobleme, Schilddrüsen-erkrankungen und sogar Depressionen. Dank weniger Zucker werden die allermeisten Frauen nach wenigen Wochen Paleo-Ernährung erstmal einige Kilos loswerden und einen gesünderen, sportlicheren BMI erreichen.

    Wussten Sie übrigens, dass die Reduktion von nur 5 Prozent des Körpergewichts bei Frauen mit unregelmäßigem Zyklus und PCOS schon nachweislich bewirken kann, den Eisprung wiederherzustellen und den Zyklus zu stabilisieren? (siehe z.B.: Overweight and obese anovulatory patients with polycystic ovaries: parallel improvements in anthropometric indices, ovarian physiology and fertility rate induced by diet..)

  2. Paleo-Ernährung bedeutet weniger Getreide. Gehören Sie auch zu den ganz normalen Menschen, deren tägliche Kalorienzufuhr zu fast aus 70 Prozent aus Getreiden und deren Produkten besteht? Das ist schade, da Getreide nie zur Grundnahrung der Urmenschen gehörte und unser Darm einfach nicht ausgerichtet ist, sie in großen Mengen optimal zu verwerten.

    Einfach gesagt, sich von Getreide zu ernähren bedeutet, Entzündungen im Körper zu unterstützen. Menschen mit Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie merken dies ganz besonderes, aber selbst für diejenigen, die ganz gesund sind, gibt es viele Gründe, Getreide zu reduzieren.

    Getreide enthält einen hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren, was die Omega-6-zu-3-Ratio in Ihrem Körper negativ beeinflusst. Dies wiederum spiegelt sich negativ in der Qualität der Eizellen wieder und sie wissen schon: keine guten Eizellen, kein Baby!

  3. Paleo-Ernährung bedeutet, mehr tierische Proteine zu essen. Oder müssen Sie beim Fleischkauf gleich an den Tierschutz, Umweltbelastung, Medikamenten- und Hormon-Belastung denken?

    Am besten finden Sie einen Kompromiss und entscheiden sich ausschließlich für Fleisch aus artgerechter Tierhaltung. Oder besser noch, von Tieren, die in der freien Natur lebten – je nachdem wo Sie wohnen, kann Einkauf vom Wildfleisch viel einfacher sein als Sie denken. Sehen Sie auf dem Foto rechts – Wild gehört zu dem ganz normalen Abendessen dazu, sogar das Chutney kann einfach aus selbstgepflückten Beeren gemacht werden.

    Meine beste Freundin ist Vegetarierin, die zweitbeste sogar Veganerin. Ich habe unheimlich viel Respekt vor ihren Entscheidungen. Aber als Biologin muss ich ihnen sagen: unsere Ururururururgroßmütter haben es geschafft, die erfolgreichste Spezies der Welt hervorzubringen, nur weil sie auf tierische Proteine nicht verzichtet haben.

    Zumindest in der Lebensphase in der Sie Schwangerschaften ertragen werden, Babies stillen und herumtragen werden, tun Sie ihrem Körper und Geist einen Gefallen und essen Sie die Proteine, die Ihr Darm am besten verwerten kann.

  4. Paleo-Ernährung bedeutet, weniger Toxine und Gifte zu sich zu nehmen. Toxine und Gifte sind starke Worte und werden oft (ähnlich wie der Begriff Chemikalie) falsch oder in einem negativen Kontext verwendet. Aber mit Paleo-Ernährung stimmt es: da es keine verarbeiteten Lebensmittel, keine Fertig-Gerichte und kein Fast-Food gibt, wird Ihr Körper in wenigen Monaten zunehmend frei von all diesen Substanzen, die winzig klein auf der Rückseite der Verpackungen gedruckt werden und die kaum ein Mensch aussprechen kann.

Wird sich das bemerkbar auf Ihr Wohlbefinden und Ihre Gesundheit auswirken? Auf jedem Fall. Die Einflüsse von vielen Faktoren: Omnipräsenz von Zucker, Belastung der Darmfunktion durch Getreide in Mengen die in keinem Zusammenhang mit menschlicher Physiologie stehen, Mahlzeiten, die einen hohen Kaloriengehalt, aber einen niedrigen Vitamin- und Ballaststoff-Gehalt haben und viele Umweltgifte kommen zusammen und wirken sich negativ aus auf die weibliche Fruchtbarkeit.

Auf die männliche natürlich auch – nur mit dem Unterschied, dass ein Mann in wenigen Tagen mehr Spermien zu Verfügung stellt als Sie Eizellen in Ihrem ganzen Leben. Dazu kommt, dass Frauen immer später Kinder bekommen – bedenken Sie, wie viel Ihnen Ihre übrigen Eizellen wert sind und was Sie ihnen zum täglichen Essen anbieten möchten.


Vielen Dank, Darja!

Welche Erfahrungen habt Ihr mit der Paleo-Ernährung und Fruchtbarkeit gemacht? Oder will es im Moment noch nicht so recht „klappen“? Dann werft einen Blick in Darjas Blog: Paleo-Mama.


*: Amazon Affiliate-Link: Kauf’ Dich schlank und unterstütze dabei Paleosophie mit einer kleinen Prämie. Wir beide gewinnen!

Von Constantin Gonzalez am 17.12.2014, aktualisiert: 19.12.2016 in Grundlagen.


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Mein Name ist Constantin, Informatiker und seit 2008 beschäftige ich mich intensiv mit Ernährung, Gesundheit und aktueller Forschung dazu.

Mit der Paleo-Ernährung (oder: „Paleo-Diät“) bin ich heute 18 kg leichter und fitter als je zuvor. Jetzt wandle ich mich vom Couch-Potato zum Athleten. Das hätte ich als klassischer „Geek“ nie gedacht!

In Paleosophie geht es um Paleo-Ernährung, was dahinter steckt, wie sie funktioniert und um immer neue Möglichkeiten, das Beste aus Deinen Genen zu machen. Mehr…

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